Politik

USA richten Rettungsflüge aus Afghanistan ein

Zwei Jahrzehnte Militäreinsatz in Afghanistan münden immer mehr in eine Flucht der beteiligten Nationen. Reihenweise ziehen Länder ihr Botschaftspersonal ab und fliegen heimische Helfer aus. Die USA errichten eine Luftbrücke zur Rettung Tausender Menschen pro Tag – und öffnen sie auch für Verbündete.

Die in Afghanistan lange Zeit militärisch und humanitär engagierten Nationen drücken angesichts des Vormarschs der Taliban aufs Tempo beim Ausfliegen ihrer Bürger und afghanischer Helfer. Das US-Verteidigungsministerium teilte mit, dass die Streitkräfte bei Bedarf täglich Tausende Menschen aus Kabul ausfliegen könnten. Die Kapazität für den Lufttransport sei „kein Problem“, sagte der Sprecher des Pentagon. „Wir können täglich Tausende transportieren“, sagte er weiter und bot verbündeten Staaten und Partnern beim Ausfliegen von Personal Unterstützung an, sollte es derartige Hilfsersuchen geben. Derweil bereitet auch Großbritannien die rasche Ausreise von Diplomaten vor.

Bundesaußenminister Heiko Maas hatte zuvor bereits angekündigt, dass das Personal in der deutschen Botschaft auf ein absolutes Minimum reduziert werde. Norwegen wird seine Botschaft in Kabul schließen und Diplomaten sowie afghanischen Botschaftsmitarbeiter und deren Familien evakuieren. Die Schweiz zieht die letzten drei verbliebenden Mitarbeiter eines Kooperationsbüros ab.

Auch Schweden will die Zahl der Mitarbeiter in seiner Botschaft herunterfahren. Außenministerin Ann Linde twitterte, es gebe gut ausgearbeitete Pläne für eine Evakuierung des Personals „die in Kürze relevant sein könnten“. Die Niederlande erwägen die Schließung ihrer Botschaft, wollen die Vertretung aber so lange wie möglich offen halten, wie Außenministerin Sigrid Kaag sagte. Dies könne sich aber als unmöglich erweisen, sollte die Stadt von den Taliban belagert oder eingenommen werden. Zudem sollen Afghanen, die für das Land gearbeitet haben, in die Niederlande gebracht werden, zitiert der Sender NOS Verteidigungsministerin Ank Bijleveld.

Pentagon: Keine unmittelbare Gefahr für Kabul

Laut Pentagon bestimmt letztlich das US-Außenministerium, wie viele Menschen tatsächlich befördert würden. Das US-Militär schickt rund 3000 Soldaten als Verstärkung zum Flughafen der afghanischen Hauptstadt, um die Reduzierung des Personals der US-Botschaft in Kabul zu unterstützen. Sie sollen auch beim Ausfliegen Tausender früherer afghanischer Mitarbeiter der US-Behörden und des US-Militärs helfen, die sich vor den Taliban in Sicherheit bringen wollen. Die Afghanen sollen sich außerhalb des Landes um Visa bewerben können, um dann in den USA neu zu starten.

Inzwischen sind den Angaben zufolge die US-Soldaten zur Absicherung der Evakuierungsaktion in Kabul eingetroffen. Bis Sonntag werde der „Großteil“ von insgesamt 3000 US-Soldaten in Kabul erwartet. Trotz des raschen Vormarsches der radikalislamischen Taliban in Afghanistan erklärte Kirby, die Hauptstadt Kabul sei derzeit nicht „unmittelbar gefährdet“. Zugleich räumte er ein, dass die Islamisten auf eine „Isolierung Kabuls“ setzten.

Die USA beobachteten mit „großer Sorge“, in welcher Geschwindigkeit die Taliban ihre Kontrolle in Afghanistan ausbauten sowie den „Mangel an Widerstand, mit dem sie konfrontiert sind“, sagte Kirby weiter. Die Afghanen forderte er auf, den Taliban-Angriffen mit der „politischen“ und „militärischen“ Führung zu begegnen, die „an der Front erforderlich sind“. Ob sich dies „bezahlt“ mache, hänge von den Afghanen ab. „Kein Ergebnis muss unausweichlich sein“, fügte Kirby hinzu.

Johnson: Westen darf sich nicht abwenden

Großbritanniens Premier warnte unterdessen den Westen davor, sich von dem Land am Hindukusch abzuwenden. Afghanistan dürfe „nicht erneut zur Brutstätte für Terror“ werden, sagte er nach einem Krisentreffen seines Kabinetts. Eine „militärische Lösung“ für Afghanistan schloss der Premier indes aus.

Zugleich bestätigte er, dass ein Großteil des britischen Botschaftspersonals in Kabul angesichts der stark verschlechterten Sicherheitslage ausgeflogen werde. Beamte des britischen Innenministeriums würden zudem in die afghanische Hauptstadt fliegen, um afghanischen Dolmetschern, die für die britische Armee gearbeitet hatten, bei ihren Visa-Anträgen für Großbritannien zu helfen.

Seit dem Beginn des Abzugs der internationalen Truppen aus Afghanistan Ende April haben die Taliban weite Teile des Landes unter ihre Kontrolle gebracht. Die Islamisten eroberten bisher rund die Hälfte der afghanischen Provinzhauptstädte. An einigen Orten stießen sie dabei offenbar kaum auf Gegenwehr. Am Freitag standen die Taliban nach der Eroberung der Provinzhauptstadt Pul-i-Alam nur noch rund 50 Kilometer vor Kabul, wie ein Regionalparlamentarier der Provinz Logar mitteilte.

hfs/re/ntv.de, jwu/AFP/dpa/rts

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