Sport

WM-Vergabe 2030: FIFA rollt Saudi-Arabien den Teppich aus

Von Jörg Soldwisch

Mit der Vergabe der WM 2030 an sechs Länder schafft die FIFA Fakten. Jetzt gilt Saudi-Arabien als Gastgeber für 2034 als sicher. Transparenz und Menschenrechte spielen untergeordnete Rollen.

Bevor die Kritik am «Teufelskreis der Zerstörung» so richtig an Fahrt aufnahm, verkaufte Gianni Infantino die umstrittene Handstreich-Aktion als Gewinn für die ganze Welt.

Zufrieden lächelnd und mit pastoraler Stimme verkündete der FIFA-Präsident die «historische Einigung» für eine umstrittene Drei-Kontinente-WM 2030, mit der der Fußball-Weltverband in bester Hinterzimmer-Politik zugleich Saudi-Arabien den roten Teppich als WM-Gastgeber für 2034 ausrollte. 

«Dialog und gegenseitiges Verständnis»

«Dialog und gegenseitiges Verständnis» hätten zu dieser Vereinbarung geführt, bei der «eigentlich jeder gewinnt – besonders die Fans, Spieler und alle Regionen der Welt», behauptete der Schweizer in einer Videoansprache nach der überraschenden Entscheidung des FIFA-Councils am Mittwoch. Ohne auch nur ein Wort über die Probleme der WM-Vergabe in Sachen Nachhaltigkeit, Transparenz und Menschenrechte zu verlieren, predigte Infantino: «In einer geteilten Welt ist der Fußball vereint.» 

Doch genau das sehen viele nach dem erneuten Alleingang des Councils anders. «Die FIFA setzt ihren Teufelskreis der Zerstörung gegen das größte Turnier der Welt fort», schrieb die Fan-Organisation Football Supporters Europe (FSE) beim Kurznachrichtendienst X (ehemals Twitter). 

«Wir schrauben und schrauben und schrauben und lassen uns noch mal was einfallen», sagte auch RB Leipzigs Trainer Marco Rose voller Unverständnis: «Irgendwann spielen wir auf dem Mount Everest, weil wir da einen Fußballplatz hingezaubert kriegen und man das vermarkten kann.» 

Geld schlägt Tradition

Geld schlägt Tradition – diese Botschaft werde mit der Jubiläums-WM zum 100-jährigen Bestehen der Endrunde in den sechs Ländern Uruguay, Argentinien, Paraguay, Spanien, Portugal und Marokko verbreitet, meinen Kritiker. «Wenn das Ergebnis dieses aufgeblähten Turniers ist, dass sich nur noch sechs Länder zusammen oder nur autokratische Regime bewerben können, ist das für die Menschenrechte nicht förderlich», sagte FSE-Sprecher Martin Endemann der Deutschen Presse-Agentur.

In der Tat darf sich Saudi-Arabien auch als großer Gewinner fühlen. Da die WM 2026 in den USA, in Mexiko und Kanada ausgespielt wird, kommen gemäß dem Rotationsprinzip für die Austragung des Mega-Events in elf Jahren nur Vertreter aus Asien und Ozeanien infrage. Das steigert die Chancen der Monarchie am Persischen Golf enorm, auch wenn Australien eine mögliche Bewerbung für die WM 2034 ebenfalls prüft. Doch Saudi-Arabien will zwölf Jahre nach der WM im politisch befeindeten Katar selbst das Prestigeprojekt mit aller Macht austragen. An Geld, Kontakten und guten Versprechungen mangelt es nicht. 

Man wolle ein Weltklasse-Turnier veranstalten und sich «vom anhaltenden sozialen und wirtschaftlichen Wandel Saudi-Arabiens und der tief verwurzelten Leidenschaft des Landes für Fußball inspirieren lassen», hieß es in einer Mitteilung des nationalen Fußball-Verbandes SAFF. Scheich Salman bin Ibrahim Al Chalifa, Präsident der asiatischen Konföderation AFC, sicherte die Unterstützung der «gesamten asiatischen Fußballfamilie» zu und sprach von einer «bedeutsamen Initiative des Königreichs». 

Saudi-Arabien scharf in der Kritik

Saudi-Arabien steht jedoch noch mehr als Katar wegen Verstößen gegen die Menschenrechte stark in der Kritik. Dem Land wird vorgeworfen, mit den milliardenschweren Investitionen in den Sport sein Image aufpolieren zu wollen. Die Transfers von Superstars wie Cristiano Ronaldo, Neymar und Karim Benzema in die saudi-arabische Fußball-Liga sind ein Beispiel dafür. Das Land hat sich bereits die Austragung der FIFA-Club-WM 2023 und der Asienmeisterschaft 2027 gesichert. Zudem finden dort unter anderem ein Formel-1-Rennen, große Box-Kämpfe, eine eigene Golf-Serie sowie 2029 die Asien-Winterspiele statt. 

«Im Zusammenhang mit der WM in Katar wurde kritisiert, dass man schon deutlich früher im Rahmen der Vergabe noch mehr auf Missstände hätte hinweisen müssen», sagte Endemann von Football Supporters Europe: «Mit Blick auf Saudi-Arabien müssen wir das jetzt tun.»

Und wo steht der Deutsche Fußball-Bund? Da der Entscheid laut FIFA-Mitteilung einstimmig ausfiel, muss auch DFB-Präsident Bernd Neuendorf, der im April ins mächtige Council berufen wurde, zugestimmt haben. Wohl wissend um die Konsequenz für 2034. Klar ist: Zu sehr aufbegehren darf der DFB im internen Zirkel nicht, will er seine Chancen für die Frauen-WM 2027, die im kommenden Mai beim Kongress in Bangkok vergeben wird, aufrechterhalten. 

Infantino mächtiger als Blatter?

Mit solchen Tricks hält Infantino die Opposition im Zaum, er scheint mächtiger zu sein, als sein ebenfalls umstrittener Vorgänger Joseph Blatter es je war. Auch deshalb war es ihm möglich, erneut die offiziellen Spielregeln zu umgehen und das Turnier, das eigentlich bei einem FIFA-Kongress im kommenden Jahr vergeben werden sollte, schon jetzt und ohne Einbeziehung des obersten und gesetzgebendes Organs zu verkünden. Den Mitgliedern der Vollversammlung bleibt nur noch die Aufgabe, die Entscheidung offiziell zu bestätigen. 

Da auch die Europäische Fußball-Union bei den Europameisterschaften 2028 (Vereinigtes Königreich und Irland) und 2032 (Türkei und Italien) abseits der Gremien praktisch sichere Deals eingetütet hat, stehen die Gastgeber der nächsten sechs Fußball-Großereignisse alle so gut wie fest. Transparenz spielte bei den Verfahren eine untergeordnete Rolle.

Genau wie das Thema Nachhaltigkeit. Infantino verspricht einen «einzigartigen globalen Fußball-Fußabdruck» – aber was ist mit dem CO₂ – Fußabdruck? Der dürfte aufgrund der nur drei Spiele auf südamerikanischem Boden sogar besser aussehen als jener der WM zuvor in den USA, Kanada und Mexiko. Dennoch sei der Beschluss ein Symbol für ausufernden Gigantismus und damit «aus der Zeit gefallen» und ein weiterer Beweis, «dass Klimaschutz für die FIFA eine untergeordnete Rolle spielt», kritisierte Stefan Wagner von der Organisation «Sports For Future».

hfs/re/dpa/tt

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