Politik

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage

Eine Kleinstadt vor Donezk wird zum neuen Zentrum der Kämpfe in der Ukraine. Selenskyj will das Land stärker mit eigenen Waffen versorgen. Und Putin traut sich erstmals wieder ins Ausland. Die News.

Die schweren Kämpfe um die Stadt Awdijiwka im Osten der Ukraine halten nach Angaben aus Kiew weiter an. «Unsere Verteidiger halten tapfer die Stellung», teilte der ukrainische Generalstab gestern Abend in seinem Lagebericht mit. Sieben russische Attacken auf die Kleinstadt und sieben weitere auf Ortschaften in der Nähe seien abgewehrt worden, schrieb die Militärführung in Kiew. Russische Militärblogger hingegen schrieben von weiteren Geländegewinnen des Moskauer Militärs. Unabhängig lassen sich die Angaben beider Seiten nicht überprüfen.

Der Kommandeur des südlichen Frontabschnitts «Taurien», Brigadegeneral Olexander Tarnawskyj, schrieb auf Telegram, den russischen Angreifern würden schwere Verluste zugefügt. Die angespannte Lage der ukrainischen Verteidiger macht allerdings der Bericht des Generalstabs über russische Luftangriffe auf die Gegend deutlich. In den vergangenen Monaten hatte Moskau seine Flugzeuge nur vereinzelt eingesetzt, auch weil die ukrainische Flugabwehr der russischen Luftwaffe empfindliche Verluste zugefügt hat. Nun aber wurden neben Awdijiwka auch die Ortschaften Nowokalinowe, Keramik und Stepowe nordwestlich davon bombardiert.

Awdijiwka liegt in unmittelbarer Nähe der bereits seit 2014 von prorussischen Kräften kontrollierten Großstadt Donezk. Die stark ausgebaute Festung ist seit Monaten umkämpft. Ziel der seit zwei Tagen aber noch einmal verstärkten russischen Offensive ist es offenbar, Awdijiwka von der Versorgung abzuschneiden und die dort stationierte Garnison einzukesseln.

Selenskyj will Waffenlieferungen digitalisieren

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj ging am Rande ebenfalls auf die Kämpfe um Awdijiwka ein, als er den Soldaten für ihr Durchhaltevermögen dankte. Er forderte zugleich eine Digitalisierung der Waffenlieferungen. Durch ein digitales Verzeichnis entstehe ein besseres Verständnis über die Versorgung der Soldaten und mögliche Defizite, sagte er gestern Abend in seiner täglichen Videoansprache. Zudem sei es so möglich, die Lageberichte in Kiew mit der tatsächlichen Situation an der Front besser zu vergleichen und westlichen Partnern schnell Informationen über die Verwendung der von ihnen gelieferten Waffen zu geben, zeigte sich Selenskyj überzeugt.

Der Ukrainer dankte dem Westen noch einmal für Waffen- und Munitionslieferungen, machte aber auch deutlich, dass es Ziel der Ukraine sein müsse, sich im militärischen Bereich weitgehend selbst zu versorgen. Nach dem Angriff der islamistischen Hamas auf Israel wurden Befürchtungen in Kiew laut, dass die Hilfe aus den USA und Europa für das eigene Land angesichts des neuen Krisenherds erlahmen könnte.

Selenskyj hingegen betonte vor allem seine Solidarität mit Israel und dankte allen, die eine Ausweitung des Konflikts auf den ganzen Nahen Osten verhinderten. «Der einzige, der am schlimmsten Szenario interessiert ist, ist unser Feind», sagte er. Mit seiner Forderung, dass Terroristen stets zur Verantwortung gezogen werden müssten, stellte der 45-Jährige dabei wie schon in den vergangenen Tagen Russland und die Hamas auf eine Stufe.

Selenskyj dankt Europarat für Anerkennung des Holodomor

Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat sich bei der Parlamentarischen Versammlung des Europarats (PACE) für die Anerkennung des Holodomor als Völkermord bedankt. «Die Wiederherstellung der historischen Gerechtigkeit und die Anerkennung der Holodomor-Opfer senden ein Signal, dass alle früheren und jetzigen Verbrechen Moskaus unausweichlich geahndet werden», schrieb Selenskyj gestern auf der Plattform X, ehemals Twitter. Holodomor wird die Hungerkatastrophe 1932/33 in der Ukraine unter Sowjetführer Josef Stalin genannt, der Millionen Menschen zum Opfer fielen.

Putin in Kirgistan eingetroffen

Russlands Präsident Wladimir Putin ist gestern in der zentralasiatischen Republik Kirgistan eingetroffen. Es ist sein erster Auslandsbesuch in diesem Jahr. Es ist auch das erste Mal, dass der Kremlchef seit Erlass des Haftbefehls des Weltstrafgerichts in Den Haag Russland verlassen hat. In Kirgistan droht dem 71-Jährigen anders als in vielen anderen Ländern der Erde keine Festnahme wegen Kriegsverbrechen gegen die Ukraine.

Mit dem kirgisischen Präsidenten Sadyr Schaparow vereinbarte er den Aufbau einer gemeinsamen Flugabwehr. Zudem traf er am Abend auch Aserbaidschans Staatschef Ilham Aliyev, wobei die Gespräche über die Lage der Konfliktregion Berg-Karabach unter Ausschluss der Öffentlichkeit stattfand.

Das wird heute wichtig

Putin wird in Kirgistan am Gipfel der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) teilnehmen, in der frühere Sowjetrepubliken zusammenarbeiten. Putin will mit der Reise einmal mehr zeigen, dass er trotz der Sanktionen des Westens im Zuge des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine international nicht isoliert ist.

hfs/re/dpa/tt

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