Religionen sind nicht die Feinde der Wissenschaft
World Council ruft bei Konferenz in Lindau Religionsführende dazu auf, sich hinter Impfkampagnen zu stellen
„Niemals zuvor haben Religionen weltweit so eng zusammengearbeitet, wie das gegenwärtig der Fall ist“. Das betonte Rabbi David Rosen nach der offiziellen Geschäftssitzung des World Councils von Religions for Peace am Montagvormittag in Lindau am Bodensee. Die geschlossene Geschäftssitzung des World Councils leitete die „Conference of the World Council of Religious Leaders on Faith and Diplomacy: Generations in Dialogue“ ein. Diese internationale Konferenz dreht sich um Glaubensfragen und diplomatische Angelegenheiten und findet von 4. bis 7. Oktober in der Lindauer Inselhalle statt. „Und wir haben auch die Verantwortung, zusammenzuarbeiten, um unsere Heimat zu beschützen, um das Wohlergehen der Menschheit zu verbessern und um eine bessere Welt für alle zu schaffen“, sagte Rosen – selbst Mitglied im World Council.
Nach der Sitzung gab der World Council als das wichtigste Entscheidungsgremium von Religions for Peace – bestehend aus 61 Religionsführerinnen und Religionsführern aus der ganzen Welt und aus allen Glaubensrichtungen – die Veröffentlichung einer Stellungnahme bekannt, in der sich die Mitglieder im Besonderen für Menschenrechte und weltweite Gerechtigkeit bei der Verteilung von Impfstoffen aussprechen. Niemand, so heißt es darin, darf aufgrund von Rasse, Hautfarbe, Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Nationalität oder Religion diskriminiert werden.
Die Mitglieder des World Councils rufen in ihrer Erklärung außerdem Religionsführerinnen und Religionsführer auf der ganzen Welt dazu auf, sich hinter die wissenschaftlich erwiesene Wirksamkeit und Sicherheit von Impfstoffen zu stellen. „Wir haben die Verantwortung, um unseren Glaubensgemeinschaften zu vermitteln, dass Religionen nicht die Feinde der Wissenschaft sind. Wissenschaft und Religion sind essenzielle Partner für das Wohlergehen der Menschheit“, sagte Rosen stellvertretend für den World Council. Neben ihm gehören zum Gremium auch Margot Käßmann und Renz Argao, der Koordinator des Jugendnetzwerks von Religions for Peace. Die vollständige Erklärung wird am Donnerstag, 7. Oktober, am Ende der viertägigen Konferenz veröffentlicht.
Nach der Sitzung des World Councils fand die offizielle Eröffnungszeremonie der „Conference of the World Council of Religious Leaders on Faith and Diplomacy“ unter dem Motto „Generations in Dialogue“ statt. Prominente UN-Vertreterinnen und Vertreter schickten Videobotschaften. Filippo Grandi, Hoher Flüchtlingskommissar der UN, appellierte an die Integration von Geflüchteten: „Seid denjenigen Schwestern und Brüdern, die weniger haben, und nutzt die Kraft Eurer Jugend, Eure Energie und Kreativität, um auf Flüchtlinge zuzugehen und sie aufzunehmen.“ Die UN-Sondergesandte der Jugend, Jayathma Wickramanayake, forderte, dass jungen Aktivistinnen und Aktivisten der Zugang zu finanzieller Förderung erleichtert werden müsse. Und Tedros Adhanom Ghebreyesus, Generalsekretär der WHO, dankte Religions for Peace dafür, dass Impfgerechtigkeit ein wichtiges Thema der Konferenz sei: „Initiativen wie diese machen einen Unterschied, weil sie den Dialog zwischen Menschen und Nationen anregen und Verständnis und Vertrauen fördern und nach Lösungen suchen“.
Neben vielen anderen zählten auch Gilles Carbonnier, Vizepräsident des Internationalen Roten Kreuzes, und Anna-Nicole Heinrich, Präses der Synode der Evangelischen Kirche, oder die Sonderberaterin der Vereinten Nationen zur Verhütung von Völkermord, Alice Wairimu Nderitu, zu den Rednerinnen und Rednern.
Die Konferenz findet noch bis zum Donnerstag, 7. Oktober, in Lindau statt. 130 Personen, Rednerinnen und Redner und Mitglieder des Religions for Peace Netzwerks, sind persönlich vor Ort und etwa 1700 Personen verfolgen die virtuelle Veranstaltung über den Livestream und über die Videokonferenzen. Veranstaltet wird die Konferenz von der Lindauer Stiftung Friedensdialog der Weltreligionen und Zivilgesellschaft mit Unterstützung des Auswärtigen Amts. Das Programm der Konferenz liefert die in New York ansässige Nichtregierungsorganisation Religions for Peace mit ihrem globalen Netzwerk aus Glaubensgemeinschaften.
hfs/re/ots/dpa/tg