Politik

Putin sieht Russland „aus technischer Sicht“ zum Atomkrieg bereit

Immer wieder droht der Kreml mit dem Einsatz von Atomwaffen. Präsident Putin lässt nun erneut das Damoklesschwert kreisen und erklärt sein Land in einem Interview zum Atomkrieg bereit. In der Ukraine sei der Einsatz aber unnötig. Eine andere Atommacht könne dagegen ein Wettrüsten auslösen, sagt er.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat dem Westen erneut mit dem potenziellen Einsatz von Atomwaffen gedroht und Truppenverlegungen an die finnische Grenze angekündigt. In einem Interview mit dem staatlichen TV-Sender Rossija-1 und der Nachrichtenagentur RIA sagte er, dass Russland „aus militärisch-technischer Sicht“ bereit sei für einen Atomkrieg. Waffen existierten, um sie einzusetzen. Falls die Staatlichkeit, die Souveränität oder die Unabhängigkeit Russlands in Gefahr stünden, sei das Land bereit, Kernwaffen einzusetzen, so Putin.

Allerdings denke er nicht, dass man auf eine nukleare Konfrontation zurase. Mit Blick auf die Ukraine, in die Russland vor gut zwei Jahren Krieg einmarschierte, sagte Putin, es habe dort für einen Einsatz von Kernwaffen nie eine solche Notwendigkeit gegeben. Er zeigte sich zuversichtlich, dass Russland seine Ziele in der Ukraine erreichen werde.

Putin unterstellt den USA Pläne zur Wiederaufnahme von Atomwaffenversuchen und droht mit Gegenmaßnahmen. In einem solchen Fall würde auch Russland erwägen, neue Kernwaffentests zu starten, so der Kremlchef. Seinen Angaben nach sind die USA derzeit dabei, ihre atomaren Streitkräfte zu erneuern. Dies bedeute nicht, dass sie dazu bereit seien, einen Atomkrieg zu beginnen, doch es gebe Bestrebungen bei bestimmten Kreisen in Washington, die Möglichkeiten der neuen Sprengköpfe nicht nur am Computer auszuloten, sondern bei realen Tests zu überprüfen. „Wir wissen davon. Und wir werden auch schauen“, sagte er. Beweise für seine Behauptungen zu den US-Plänen legte er nicht vor.

Finnlands Beitritt zur NATO kritisierte Putin in dem wenige Tage vor der russischen Präsidentschaftswahl geführten Interview abermals scharf. Dies sei „ein absolut sinnloser Schritt“ im Hinblick auf die Wahrung der eigenen nationalen Interessen. Russland habe nie an der finnischen Grenze Truppen stationiert gehabt. „Jetzt werden sie dort sein. Es gab dort keine Zerstörungssysteme. Jetzt werden sie dort auftauchen.“

Finnland war im vergangenen Jahr der NATO beigetreten, kürzlich folgte auch die Aufnahme Schwedens in das westliche Verteidigungsbündnis. Die beiden nordeuropäischen Länder hatten sich nach jahrzehntelanger militärischer Neutralität zu einem Beitritt entschlossen, nachdem Russland mit seinem Angriffskrieg gegen die Ukraine begonnen hatte. Die NATO-Grenze rückte durch die Norderweiterung näher an Russland heran, was Moskau als Bedrohung wertet.

Russland angeblich verhandlungsbereit

Putin sagte, Russland sei bereit „für Verhandlungen über die Ukraine. Sie sollten aber auf der Realität basieren – und nicht Begierden nach der Einnahme von Psychopharmaka.“ Sollte es zu einer Einigung kommen, würde Russland auf schriftlich verfasste Sicherheitsgarantien bestehen. „Ich traue niemandem. Aber wir brauchen Garantien, und Garantien müssen ausbuchstabiert sein, sie müssen so sein, dass wir zufrieden sind.“ Allerdings hat Moskau nie ernsthaft über Verhandlungen gesprochen, sondern klar auf einen militärischen Sieg gesetzt, weil es die Ukraine militärisch für deutlich unterlegen hält.

Putin hat der ukrainischen Führung wiederholt unterstellt, Drogen zu missbrauchen. Belege dafür hat er keine geliefert. Ernsthafte Signale für eine aussichtsreiche Annäherung zwischen den Kriegsparteien taten sich bislang ebenfalls nicht auf. Der Krieg tobt nach wie vor mit unverminderter Härte. Russland kontrolliert fast ein Fünftel des ukrainischen Territoriums und rüstet viel schneller auf, als der Westen und die Ukraine. Kiew hat wiederholt an seine Unterstützer appelliert, weitere Waffen zu liefern, da sonst eine Niederlage gegen Russland drohe.

Am Dienstag hatte die Ukraine zu einem großangelegten Raketen- und Drohnenangriff auf russisches Territorium ausgeholt, der auch am Mittwoch fortgesetzt wurde. Von der russischen Westgrenze waren zudem Kämpfe mit bewaffneten Gruppen gemeldet worden, die von der Ukraine aus anrückten und sich nach eigenen Angaben aus kremlfeindlichen Russen zusammensetzten. Putin sagte, er sei überzeugt, dass mit diesen Angriffen in erster Linie eine Störung der russischen Präsidentschaftswahl erreicht werden solle. Die Abstimmung ist von Freitag bis Sonntag angesetzt. Putins Wiederwahl gilt als ausgemacht.

hfs/re/ots/dpa/tt

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