Panorama

Prof Dr. med. Resch im Experteninterview – Nach zwei Jahren Pandemie: Eine neue Rolle für die Sauna

Sehr geehrter Herr Prof. Resch, im April 2020, kurz nachdem die Coronapandemie ausbrach, führten wir bereits ein Interview zur möglichen präventiven Wirkung von Sauna und Salzinhalation in Bezug auf das Virus. Zwei Jahre sind nun vergangen...

… ja, und seit zwei Jahren erleben wir Wissenschaft und Politik sozusagen als Feuerwehr im Dauereinsatz. Dabei kommt aber nicht, um im Bild zu bleiben, die ganze Zeit nur der große Wasserschlauch zum Einsatz. Wir haben in dieser Zeit viel gelernt über das Virus, wie es funktioniert und wie wir uns schützen können.

Wie können wir uns denn schützen?

Anfangs war unklar, wie viel Gefahr von diesem Virus ausgeht. Heute wissen wir, dass das Immunsystem jüngerer Menschen meist recht gut mit einem Angriff dieser Coronaviren fertig wird. Ältere Menschen allerdings, Menschen mit durchaus häufig vorkommenden Vorerkrankungen und ganz besonders Menschen, deren Immunsystem gestört ist, waren und sind bedroht.

Was bedeutet das für den Einzelnen?

Lassen Sie mich dazu einen Vergleich machen mit einem Risiko, das wir alle einigermaßen einschätzen können: Verkehrsunfälle. Statistisch gesehen war das Risiko aller Menschen bis 40 Jahre, in den letzten beiden Jahren an COVID-19 zu versterben nur ein Zehntel des Risikos im Straßenverkehr, das aller Menschen über 50 Jahren aber 25mal so groß. Anders gesagt: in den letzten 2 Jahren sind so viele Menschen über 50 Jahren an Corona gestorben wie in den letzten 25 Jahren im Straßenverkehr.

Woran liegt das?

Den Grund zu benennen ist einfach: am Immunsystem. Diesen Grund zu erklären ist allerdings etwas komplizierter. Die Natur hat uns mit zwei unterschiedlichen Immunwaffen ausgestattet, mit denen wir uns gegen ganz verschiedene Arten von Eindringlingen wehren können: gegen Schadstoffe, gegen Pollen, gegen Bakterien und eben gegen Viren.

Wie funktionieren Viren?

Viren leben nicht und können sich auch nicht selbst vermehren. Wir kennen alle die berühmten „Computerviren“, kleine Schadprogramme, die solange ungefährlich sind, solange sie nicht auf einen Computer gelangen. Befallene Computer „vermehren“ diese Viren, in dem sie das Schadprogramm kopieren und damit andere Computer infizieren. Auch Coronaviren sind eigentlich nur ein Schadprogramm, das von einer Hülle umgeben ist. Auf dieser Hülle sitzen Schlüssel, die Stacheln, die wir von Abbildungen inzwischen nur zu gut kennen. Damit lässt sich an der Oberfläche von Zellen, z.B. in der Nase, im Rachen oder in der Lunge, eine Eingangspforte öffnen, von Fachleuten „Rezeptor“ genannt. Jetzt kann das Schadprogramm in die Zelle gleiten und befällt dort die Produktionseinrichtungen für Bausteine, mit denen Zellen normalerweise sich selbst reparieren oder eine neue Zelle bilden. Diese bauen jetzt nur noch neue Viren. Das läuft fatalerweise im großen Stil ab, sodass jede befallene Zelle innerhalb von wenigen Stunden Tausende von Viruskopien anfertigt und in die Umgebung entlässt, wo benachbarte Zellen das gleiche Schicksal ereilt.

Gibt es Viren, die gefährlicher sind als andere?

Bei manchen Viren führt die „Produktion“ in den Zellen dazu, dass diese absterben. Sterben sehr viele Zellen, kann das ein ganzes Organ unbrauchbar machen, bei SARS-CoV-2 z.B. die Lungen, die dann nicht mehr genügend Sauerstoff aus der Atemluft aufnehmen können. Bei manchen Viren können die befallenen Zellen noch einen Botenstoff absondern, der bestimmte Immunzellen alarmiert, die dann herbeigeeilt kommen, die infizierten Zellen mitsamt Vireninhalt auffressen und so unschädlich machen. Unter bestimmten Umständen gerät das Immunsystem durch einen solchen Alarm aber in Panik, geht auf alles los und zerstört wahllos auch massenhaft körpereigene Zellen. Das passiert bei schweren Verlaufsformen von COVID-19.

Eigentlich schützt das Immunsystem den Körper. Kann man es denn „fitter“ machen?

Normalerweise ja. Aber bei SARSCoV-2 habe ich vor zwei Jahren, und auch noch vor einem Jahr klar sagen müssen: Hier ist es anders. Da reicht die Kraft des eigenen Immunsystems bei weitem nicht aus. Etwa wie wenn ein sportlicher Mensch darauf vertrauen würde, dass regelmäßiges Training seinen Bizeps so stark macht, dass er im Auto keinen Sicherheitsgurtmehr braucht, sondern sich bei einem Zusammenstoß locker mit den Armenabstützen kann. Zunächst einmal haben wir alle, als Teil unseres Immunsystems, eine „schnelle Eingreiftruppe“, Zellen, die alles unschädlich machen, was in den Körper einzudringen versucht. Damit kommen wir schon auf die Welt, deshalb nennt man es auch „angeborenes Immunsystem“. Im Laufe unseres Lebens geben diese Immunzellen Informationen über die Eindringlinge weiter an unseren zweiten Teil, das erworbene Immunsystem. Das „bastelt“ mit diesen Informationen passgenaue Waffen gegen die aktuelle Bedrohung, sogenannte Antikörper, die die Eindringlinge an bestimmten Merkmalen erkennen und „einwickeln“, sodass sie keinen Schaden mehr anrichten können. Gerade Erwachsene scheinen so viele spezifische Abwehrwaffen für alle möglichen Angreifer „auf Lager“ zu haben, dass die „schnelle Truppe angeborenes Immunsystem“ nur noch selten gebraucht wird und deshalb eher schlafmützig reagiert.

Dann macht es Sinn bei älteren Menschen gezielt das angeborene Immunsystem zu trainieren?

Ja, und deshalb sehe ich heute die Situation auch ganz anders! In den ersten1 ½ Jahren war eine SARS-CoV-2-Infektion der allererste Kontakt dieser Art von Viren mit dem eigenen Immunsystem. Was unmittelbar nach einer Infektion nicht durch das angeborene Immunsystem unschädlich gemacht werden konnte, hatte für etwa zwei Wochen ziemlich freie Bahn im Körper. In dieser Zeit hatte sich bei vielen Infizierten der Gesundheitszustand bereits so stark verschlechtert, dass eine Behandlung auf einer Intensivstation oder sogar eine künstliche Beatmung erforderlich wurde. Inzwischen hat aber der größte Teil der Bevölkerung in Deutschland durch zwei oder drei Impfungen ein recht gut trainiertes „erworbenes Immunsystem“. Zusätzlich wurde und wird dieses bei einer zunehmenden Zahl von Menschen auch durch eine Infektion mit SARS-CoV-2selbst trainiert. Damit scheint jetzt der Zeitpunkt gekommen, an dem man mit guten Erfolgsaussichten selbst etwas für das eigene Immunsystem tun kann, sozusagen als i-Tüpfelchen.

Kann es sein, dass Sie jetzt – bildlich gesprochen – die Sauna aus dem Ärmel ziehen?

Ganz genau! Inzwischen gilt: regelmäßiges, richtiges Saunieren ist nicht nur nachgewiesenermaßen so ziemlich der beste Schutz vor allen möglichen Erkältungen, regelmäßiges Saunieren ist inzwischen wohl auch bei SARSCoV-2 eine sehr wirksame Methode, das angeborene Immunsystem ergänzend auf Vordermann zu bringen und vital zu halten. Dabei habe ich in einem Satz zweimal das Wort regelmäßig verwendet. Wie bei jeder Art von Training ist das der Generalschlüssel zum Erfolg. Vor diesem Hintergrund ist natürlich die eigene Sauna zu Hause für viele Menschen, die vielleicht wichtigste Voraussetzung, um sich eine Vielzahl von Krankheiten, mit denen man gerade in der kalten Jahreszeit fast unweigerlich in Berührung kommt, erfolgreich vom Leibe zu halten. Und, auch das ist ganz wichtig, man muss gar nicht in erster Linie auf das große Ziel „Abhärtung“ hinarbeiten, man bekommt jedes Mal die Belohnung auf die Hand: eine Reinigung des ganzes Körpers von liegen gebliebenen Stoffwechselprodukten und einen breiten Nachschub an wichtigen Baustoffen für die Regeneration von Organen und Geweben! Und natürlich ganz einfach eine im ganzen Körper und mentalspürbare tiefe Entspannung.

hfs/re/ots/dpa/tt

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