Kein Spaziergang, Kommentar zur Lufthansa von Heidi Rohde
Nach Jahren auf der Lauer nähert sich die Lufthansa dem Einstieg bei der Alitalia-Nachfolgerin ITA. Finanzieller Beistand kommt von der Großreederei MSC, die durch den Boom in der Containerschifffahrt während der Pandemie sicher hinreichend tiefe Taschen hat, um den Partnern ein wettbewerbsfähiges Angebot zu ermöglichen. Indes entscheidet in Rom die Höhe der Offerte für die restrukturierte und komplett entschuldete Airline sicher nicht allein über den Zuschlag an einen Bieter. Auch das strategische Konzept dürfte eine zentrale Rolle spielen, zumal der italienische Staat, der eine Minderheit behalten will, erneut erhebliche Mittel für Investitionen in Aussicht gestellt hat.
Lufthansa, die dem Vernehmen nach 20 Prozent an ITA will, während MSC 60 Prozent anpeilt, beansprucht in jedem Fall die unternehmerische Führung und hat die Eckpfeiler ihres strategischen Konzepts bereits öffentlich gemacht. Es geht nicht nur um die Entwicklung der ITA-Langstrecke durch deren Einbindung in das Geflecht der Netz-Carrier des Aviation-Konzerns, sondern auch um den Anteil am touristischen Verkehr Italiens sowie die Entwicklung des Frachtgeschäfts. Vor allem bei den Inlandsverbindungen sowie auf der touristischen Mittelstrecke tritt ITA gegen den starken Marktführer Ryanair an. Hier werden schlanke Strukturen und Kostendisziplin entscheidend sein. Darüber muss ein belastbarer Konsens bestehen, sonst kann die Rechnung der Lufthansa nicht aufgehen.
Welche konkreten strategischen Pläne das konkurrierende Konsortium um Air France-KLM hat, ist weniger bekannt, jedoch haben die Franzosen bereits klargemacht, dass sie es auch ernst meinen. Zwar wurde die Lufthansa wiederholt als bevorzugter Partner bezeichnet, aber eine allzu große unternehmerische Konsequenz stößt in Italien nicht immer auf Gegenliebe. In jedem Fall dürfte Rom auch das Angebot von Air France-KLM in Betracht ziehen, zumal wenn es finanziell nicht hinter dem von Lufthansa und MSC zurückbleibt. Diskussionsbedarf könnte überdies entstehen, weil alle Bieter bedenken müssen, dass der eher kurzzeitige Zugang zum Datenraum eine gründliche Prüfung der Bücher erschwert hat.
Die ITA-Vorgängerin Alitalia hat sich stets als Fass ohne Boden entpuppt, auch für kapitalkräftige Käufer wie einst Etihad. Ein Verkauf von ITA selbst ist wiederholt gescheitert, weil die Bedingungen am Ende für die interessierten Erwerber doch nicht annehmbar waren. Ein Spaziergang wird die Übernahme für Lufthansa auch diesmal nicht.
hfs/dpa/ots/boersen-zeitung/tt