Politik

IS fordert „einsame Wölfe“ zu Anschlägen in Europa auf

Eine Woche nach dem tödlichen Anschlag bei Moskau kündigt der Islamische Staat (IS) weiteren Terror an. In einer Audiobotschaft richten sich die Extremisten an die „einsamen Wölfe“ in Europa und den USA. Sie seien aufgefordert, Christen und Juden während des Ramadan „überall anzugreifen“.

Die Terrormiliz Islamischer Staat (IS) hat weltweite Angriffe auf Juden und Christen angekündigt. In einer am Donnerstag veröffentlichten 40-minütigen Audiobotschaft fordert IS-Sprecher Abu Hudhaifah al-Ansari die „einsamen Wölfe“ der Bewegung auf, noch während des laufenden Fastenmonats Ramadan „Kreuzfahrer (Christen) und Juden überall anzugreifen und ins Visier zu nehmen“, insbesondere in Europa und den USA sowie im Herzen des jüdischen Staates und in Palästina. Veröffentlicht wurde die Botschaft über das IS-Medienportal al-Furkan.

Nach dem Angriff auf eine Konzerthalle nahe Moskau mit über 140 Toten und dem Bekenntnis der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS) zu der Tat hatte die Bundesregierung die Terrorgefahr auch hierzulande als „akut“ eingestuft. Von dem mutmaßlich verantwortlichen IS-Ableger gehe „derzeit auch in Deutschland die größte islamistische Bedrohung aus“, sagte Bundesinnenministerin Nancy Faeser der „Süddeutschen Zeitung“. „Die Gefahr durch islamistischen Terrorismus bleibt akut“, sagte Faeser weiter. „Die islamistische Szene steht im Fokus von BKA, Verfassungsschutz und der Sicherheitsbehörden der Länder.“

Auch Terrorismusexperte Peter Neumann sieht eine „recht große“ Terrorgefahr in Deutschland und Westeuropa. Seit dem Beginn des Gaza-Kriegs im Oktober gebe es eine riesige „Mobilmachung von Islamisten, von Dschihadisten überall in Westeuropa“, sagte Neumann im Deutschlandfunk. In Deutschland seien drei oder vier Anschläge verhindert worden. Nun käme zusätzlich „der ISPK, also dieser Ableger des Islamischen Staats in Afghanistan, Zentralasien“ dazu, der „sehr ambitioniert und aggressiv auch Anschläge im nichtmuslimischen Ausland versucht, darunter auch in Westeuropa“.

Die Gruppe Islamischer Staat Provinz Khorasan (ISPK) hat ihren Ursprung in Afghanistan. Khorasan steht für eine historische Region in Zentralasien, die Teile von Afghanistan, Usbekistan, Turkmenistan und Tadschikistan sowie vom Iran umfasste. Das seien einige Gefahren, die hier zusammenkämen, „wo ich sage, die größte, aktuelle terroristische Bedrohung in Deutschland, in Europa, ist jetzt wieder von der islamistischen, von der dschihadistischen Seite“, sagte Neumann.

Schlimmster Anschlag in Russland seit Jahren

Der afghanische IS-Ableger ISPK hatte sich zu dem Anschlag bei Moskau bekannt. Am vergangenen Freitagabend hatten mit Sturmgewehren bewaffnete Angreifer in der Konzerthalle Crocus City Hall bei Moskau das Feuer auf die Besucher eröffnet und dort einen Brand gelegt. Dabei kamen laut dem russischen Katastrophenschutzministerium insgesamt 143 Menschen ums Leben. Etwa 200 Menschen sollen den Angaben zufolge verletzt worden sein, einige davon schwer. Inzwischen wurde die Vermisstensuche in der ausgebrannten und teilweise eingestürzten Konzerthalle eingestellt. Es ist der schlimmste Anschlag in Russland seit Jahren.

Das russische Ermittlungskomitee gab am Donnerstag bekannt, einen weiteren Verdächtigen im Kontext des Attentates festgenommen zu haben. Dieser sei an der Finanzierung des Anschlags beteiligt gewesen. Die Ermittler würden für ihn Untersuchungshaft beantragen. Zuvor waren nach offiziellen Angaben insgesamt elf Menschen festgenommen worden, darunter die vier mutmaßlichen Attentäter. Acht von ihnen befinden sich in Untersuchungshaft.

Die vier mutmaßlichen Haupttäter waren schon am Sonntagabend vor dem Haftrichter erschienen. Dabei waren an ihren Körpern Verletzungen zu erkennen, die auf Folter durch russische Sicherheitskräfte hindeuten. Sie wiesen stark geschwollene Gesichter, Platzwunden und Blutergüsse auf. Einer hatte einen großen Verband am Ohr. Ein anderer konnte nicht mehr selbst laufen und verlor Berichten zufolge zwischenzeitlich das Bewusstsein. Er wurde auf einer Krankenliege in den Gerichtssaal gefahren, wo die Haftbefehle erlassen wurden. Zuvor waren in sozialen Netzwerken Videos aufgetaucht, die zeigen sollen, dass die mutmaßlichen Attentäter gefoltert wurden und einem von ihnen ein Ohr abgeschnitten wurde.

In seiner Videobotschaft erinnerte der IS-Sprecher Al-Ansari überdies an die Ausrufung des sogenannten IS-Kalifats vor zehn Jahren. Damals hatte die Miliz große Gebiete des vom Bürgerkrieg zerrissenen Syrien und des benachbarten Iraks unter Kontrolle. Mittlerweile haben die Extremisten ihr Herrschaftsgebiet wieder verloren. IS-Zellen sind aber in beiden Ländern weiter aktiv.

hfs/re/dpa/tt

Cookie Consent mit Real Cookie Banner