Haiti: Was geht mich das Leid anderer Menschen an?
Notlage anderer ausnutzen vs. Selbstlos helfen – die Fotografin Alea Horst kennt beide Seiten aus ihrer Arbeit in den Krisengebieten dieser Welt
Das Erdbeben in Haiti am 14. August 2021 hat über 2.200 Menschen getötet, mehr als 12.200 verletzt und zehntausende obdachlos gemacht. Hunderte werden noch vermisst.
Darüber hinaus fehlt es der ohnehin schon von Armut betroffenen Bevölkerung an Nahrung, medizinischer Versorgung und weiterem Lebenswichtigem. Hilfsorganisationen wie die SOS-Kinderdörfer sind vor Ort, um den Menschen in ihrer Not beizustehen. Doch leider gibt es auch Personen, die das Leid anderer gnadenlos ausnutzen: Plünderungen und Menschenhandel waren zum Beispiel ein großes Problem nach dem letzten großen Erdbeben in Haiti 2010 und drohen auch nach dieser erneuten Naturkatastrophe.
Ludginie war zwölf Jahre alt, als damals ihr Elternhaus bei dem Beben beschädigt wurde. Ihre fünfköpfige Familie musste daraufhin schmutziges Wasser trinken, hatte kaum Nahrung und anstatt an Schulunterricht musste ans Überleben gedacht werden. In diesem fragilen Moment waren Ludginies Eltern anfällig für das Angebot der amerikanischen Männer, die ihnen in Aussicht stellten, eines der drei Kinder mit in die USA zu nehmen, um diesem so eine bessere Zukunft zu ermöglichen. In ihrer Not ließen sich Ludginies Eltern auf diese „Hilfe“ ein und steckten die Zwölfjährige in einen Bus mit 32 anderen Kindern. Leider waren die Absichten der Männer alles andere als positiv, doch mithilfe der Polizei und der SOS-Kinderdörfer konnte das Mädchen letztendlich aus ihren Fängen befreit werden.
Alea Horst kennt die Diskrepanz zwischen menschlichen Abgründen und selbstloser Hilfsbereitschaft: Die Fotografin fliegt in die Krisengebiete dieser Welt und hat „die Hölle“ ebenso vor der Linse gehabt, wie das liebevolle Miteinander der Menschen in größter Not!
„Man sieht das gesamte Spektrum: Schreckliche Sachen wie Menschenhandel und Missbrauch, aber auch überall wundervolle Personen, die aktiv helfen“, erzählt Alea Horst. Sie dokumentierte mit ihren Fotos bereits die schlimmsten Schicksalsschläge von Menschen in Syrien, Bangladesch oder auf den griechischen Inseln. Somit öffnet die Fotografin, die auch regelmäßig für die SOS-Kinderdörfer im Einsatz ist, ein Fenster zur Welt: „Der Ausblick ist zwar nicht immer schön, aber sehr wichtig. Denn das Leid anderer geht uns alle etwas an. Das zeigt uns ja jetzt auch die Pandemie, dass wir alle miteinander verbunden sind!“
Um die Würde der Menschen nicht zu verletzten, drückt Alea Horst häufig auch nicht auf ihren Auslöser. Weitere Einblicke in ihre Arbeit als Fotografin in Krisengebieten sowie die ganze Geschichte der heute 23-jährigen Ludginie aus Haiti gibt es in der aktuellen Folge des Podcasts der SOS-Kinderdörfer „Mut heißt Machen“.
hfs/re/dpa/ots/se