Europas Banken auf dem Marathon zur „Netto-Null“
Banken kommt zentrale Rolle in der grünen Transformation zu | Konkrete Ziele und transparente Zahlen fehlen oftmals | Messung von Treibhausgasemissionen in Bankportfolios noch am Anfang
Europas Banken kommt bei der grünen Transformation von Wirtschaft und Gesellschaft eine zentrale Rolle zu. Investoren, Regierungen, Aufsichtsbehörden und nicht zuletzt Kunden erwarten, dass die Institute nicht nur Finanzierer des grünen Wandels sind, sondern auch Berichterstatter über Treibhausgasemissionen (THG-Emissionen) sowie Verbündeter in der Umstrukturierung. Für das Profil einer Bank sind dabei weniger die im eigenen Geschäftsbetrieb verursachten Emissionen (Scope 1 und 2) wichtig. Entscheidend sind vielmehr die THG-Emissionen des Bankportfolios, z. B. aus dem Kreditgeschäft, der Institute. Für Banken wird es notwendig, über den eigenen Pfad hin zu einem möglichen „Netto-Null“-Portfolio zu entscheiden. Vor diesem Hintergrund mangelt es vielen Instituten immer noch an konkreten Zielen und transparenten Messzahlen. Nur wenige Banken haben ihre Ziele auf dem Weg zur „Netto-Null“ festgelegt oder halten sie bereits nach. Zu diesem Ergebnis kommt die neue Edition der European Banking Study (EBS) von zeb. Der Spezialist für die Beratung der Europäischen Bank- und Versicherungsindustrie hat sich zum zweiten Mal in diesem Jahr mit der Frage beschäftigt, wie Banken in Europa den Weg der grünen Transformation mit ihren unterschiedlichen Portfolios erfolgreich einschlagen können.
Dr. Dirk Holländer, zeb-Senior-Partner und Mitautor der Studie, führt aus: „Die frühzeitige Messung der Emissionen in den Bankportfolios sowie konkrete Pläne für ihre Reduzierung innerhalb der nächsten Jahrzehnte sind die zentralen Herausforderungen für Europas Finanzinstitute auf ihrem Weg zur ‚Netto-Null‘. Den bisherigen Ankündigungen müssen jetzt konsequente Taten folgen.“
Messung von Emissionen in Bankportfolios steht am Anfang
Im Detail zeigt die aktuelle Edition der European Banking Study: Nur manche Banken legen ihre Ziele konkret fest und noch weniger Banken gewähren handfeste Einblicke in die THG-Emissionen ihres Kreditportfolios. Die Studienautoren haben deshalb in umfangreichen Analysen auf Basis extern verfügbarer Daten einen Ansatz entwickelt, um die finanzierten THG-Emissionen der 50 größten europäischen Banken erstmals schätzen zu können. Er basiert auf dem Grundprinzip, dass den Banken anteilig nur diejenigen Emissionen ihrer Kreditnehmer zugerechnet werden, die sie auch z. B. über individuelle Kredite finanziert haben. Zwei Faktoren sind dabei für eine Bank wichtig: die Größe des Portfolios und die Emissionsintensität, d. h. die THG-Emissionen pro 1 Euro Kredit, die durch den Wirtschaftssektor und das Land, in das der Kredit fließt, getrieben werden. Diese initiale Vermessung der Portfolios ist insofern entscheidend, da sie den bisher nicht gemanagten Startpunkt für alle weiteren Maßnahmen und Aktivitäten der Institute darstellt.
Die Ergebnisse der zeb-Berechnung unterscheiden sich zwischen den Instituten und Geschäftsmodellen erheblich. Das ist wenig verwunderlich, da die aktuellen THG-Emissionen das Abbild der Kreditvergabe mit ihren individuellen Schwerpunkten auf bestimmte Wirtschaftssektoren und Länder sind. In der ersten Schätzung weisen z. B. große Universalbanken mit ihrem typischen starken internationalen Engagement und einem hohen Anteil THG-intensiver Branchen im Portfolio – wie bspw. Transport und Verkehr oder Energie – eher hohe THG-Werte in ihren Portfolios auf. Andere Institute, wie z. B. die in den nordischen Ländern aktiven Banken, profitieren von dem hohen Anteil erneuerbarer Energien in der Region und verfügen damit prinzipiell über niedrigere THG-Emissionen im Bankportfolio.
Dr. Ekkehardt Bauer, Senior Manager im zeb.research und Mitautor der Studie, erläutert: „Unser Ansatz zur externen Messung der Treibhausgasemissionen im Bankportfolio soll eine erste Vermessung des Startpunkts der europäischen Banken auf dem Weg zur ‚Netto-Null‘ sein. Für tiefer gehende Messungen – gerade in den Banken selbst – sind allerdings Bottom-up-Ansätze unerlässlich. Sie machen es möglich, individuelle Besonderheiten der jeweiligen Portfolios zu berücksichtigen. In dieser Frage stehen einige Banken tatsächlich noch am Anfang.“
Der Marathon in Richtung „Netto-Null“ beginnt
Aus Sicht der Studienautoren ist der Weg zur „Netto-Null“ bei den Treibhausgasemissionen in den Bankportfolios kein Sprint, sondern ein Marathon, der mit drei wichtigen Schritten beginnt. Am Anfang steht die Messung des eigenen Startpunkts. Wie gesehen stehen viele Institute hier noch am Anfang. Die Banken benötigen eine aktive Steuerung des gesamten Kunden-, Produkt- und Asset-Portfolios auf Basis möglichst objektiver Daten. Hierzu fehlt es oft an den notwendigen, belastbaren internen sowie externen Daten und Datenmodellen.
Danach sollten Banken ihre Ambitionen in ein realisierbares, modulares Zielbild sowie operative Meilensteine übertragen. Eine transparente Berichterstattung über ein regelmäßiges Reporting ihrer THG-Emissionen folgt als letzter Schritt.
Im Detail zeigt die aktuelle European Banking Study: Nur wenige Banken legen ihre Ziele konkret fest, die meisten bleiben in ihren Aussagen vage. Mit Blick auf die 50 größten Banken in Europa haben sich fast alle Institute dem Pariser Abkommen verpflichtet, ihre eigenen THG-Emissionen (Scope 1 und 2) kommuniziert sowie allgemeine Ziele definiert und dokumentiert. Aber lediglich die Hälfte der Banken nennt konkrete Ziele und Maßnahmen, mit denen sie die „Netto-Null“ erreichen wollen. Noch weniger Banken haben Zahlen zu den THG-Emissionswerten ihrer Kreditportfolios veröffentlicht.
Dr. Ekkehardt Bauer ergänzt: „Nicht nur auf dem Weg zur ‚Netto-Null‘, sondern über dem gesamten Themenkomplex ESG liegt das grundlegende Problem der Daten und Datenverfügbarkeit, das alle Banken aktuell beschäftigt. Darüber hinaus bestehen weitere Herausforderungen, wie u. a. die teilweise unterschiedlichen Erwartungen der Stakeholder und Aktionäre, Fragen der Governance und die Integration des Themas in die Prozesse und Metriken der Banken.“
Dr. Dirk Holländer bemerkt abschließend: „Banken wird bei der grünen Transformation eine Schlüsselrolle zugedacht. Der Weg zu ‚Netto-Null‘-Emissionsportfolios ist unausweichlich. Institute, die sich des Themas konsequent und frühzeitig annehmen, eröffnen sich Chancen. Sie übernehmen gegenüber Aktionären, Stakeholdern, Regulatoren und Kunden eine proaktive Rolle in der grünen Transformation und damit eine zentrale gesellschaftliche Aufgabe bei der Sicherung der Lebensgrundlage für zukünftige Generationen.“
Weitere Informationen zur European Banking Study 2021 sowie zur ersten Edition mit den finanziellen Dimensionen des Wandels beim Investitionsbedarf für die Realwirtschaft und den damit verbundenen Finanzierungsbedarf aus Sicht der Banken finden sich hier.
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hfs/re/ots/tt