Politik

AfD hofft auf zweiten Landratsposten

Bundesweit demonstrieren Hunderttausende gegen Rechtsextremismus. Derweil hofft die AfD in Ostthüringen am Sonntag auf den nächsten Landratsposten. Wie wirken sich die Proteste auf die Stichwahl aus?

Inmitten einer bundesweiten Protestwelle gegen Rechtsextremismus hofft die AfD im ostthüringischen Saale-Orla-Kreis auf ihren bundesweit zweiten Landratsposten. Am Sonntag stehen sich in dem ländlich geprägten Kreis der AfD-Bewerber Uwe Thrum und CDU-Mann Christian Herrgott in einer Stichwahl gegenüber.

In der ersten Wahlrunde vor zwei Wochen hatte Thrum mit 45,7 Prozent der Stimmen deutlich vor Herrgott gelegen, der 33,3 Prozent erreichte. Die AfD hat damit die Chance, nach Robert Sesselmann in Sonneberg den zweiten Landrat in Deutschland zu stellen.

Wie sich die aktuellen Proteste auf die Wahl auswirken, sei schwer abzuschätzen, sagt der Erfurter Politikwissenschaftler André Brodocz. «Denkbar ist, dass es die bei Kommunalwahlen eher niedrige Wahlbeteiligung erhöht.» Wer die AfD ablehne, sich sonst keiner Partei verbunden fühle und bei solchen Wahlen häufiger zu Hause bleibe, könne motiviert sein, demokratische Kandidaten zu wählen. Die Wahlbeteiligung in der ersten Runde lag bei 66 Prozent.

Experte: Protestwähler könnten zu Hause bleiben

Auch wer aus Protest gegen die Politik in Land und Bund bislang AfD gewählt habe, könnte durch die Demonstrationen erkennen, dass die Protest-Stimme auch eine Stimme für rechtsextremistische Politik bedeute, sagt Brodocz. «Sie könnten deshalb bei der Stichwahl auf eine Stimmabgabe verzichten und sich perspektivisch etwa neuen Parteiangeboten wie dem Bündnis von Sarah Wagenknecht zuwenden.»

Vergangenes Wochenende waren laut Polizeiangaben bundesweit über 900.000 Menschen auf die Straße gegangen. Auslöser waren Enthüllungen über ein Treffen von Rechtsextremisten, an dem auch einige AfD-Politiker teilgenommen hatten. In Thüringen wird die AfD vom Verfassungsschutz als erwiesen rechtsextrem eingestuft und beobachtet.

Einer der einkommensschwächsten Kreise Deutschlands

Der ländlich geprägte Saale-Orla-Kreis liegt im Südosten Thüringens und grenzt an Bayern und Sachsen. Nach Daten der Statistischen Landesämter gehörte er 2021 mit 29.048 Euro brutto deutschlandweit zu den zehn Landkreisen mit den niedrigsten Gehältern pro Arbeitnehmer.

Der Kreis hat wie andere Regionen Thüringens auch mit sinkenden Einwohnerzahlen zu kämpfen: Während 1994 noch 103.000 Menschen dort lebten, waren es Ende 2022 rund 79.000 – die Hälfte davon war 50 Jahre und älter. Die größte Stadt Pößneck hat rund 12.000 Einwohner.

Im Vorfeld der Stichwahl hatte die Thüringer SPD nach dem Scheitern ihrer Kandidatin in der ersten Runde zur Wahl Herrgotts aufgerufen. Herrgott ist wie Thrum Abgeordneter im Thüringer Landtag. Außerdem ist er Generalsekretär der Landes-CDU. Auch die regionale Diakoniestiftung veröffentlichte einen von Akteuren aus der Zivilgesellschaft unterzeichneten Wahlaufruf «für eine liebenswerte und menschenfreundliche Zukunft». Namen wurden darin nicht genannt.

Die Wahl gilt als erster Stimmungstest für die anstehenden Kommunalwahlen und die Landtagswahl in Thüringen in diesem Jahr. Auch in Sachsen und Brandenburg stehen Landtagswahlen an. Die AfD steht in allen drei Ländern in Umfragen vorn, zum Teil deutlich.

hfs/re/dpa/tt

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