Politik

CNN: Klinik in Gaza könnte bald zu «Massengrab» werden

Soll auch Treibstoff in den Gazastreifen geliefert werden? Israels Armee ist dagegen – und verweist auf einen Vorrat der Hamas. Unterdessen setzt sich das Land weiter für die Geiseln ein. Die News.

Angestellte im größten Krankenhaus im Gazastreifen fürchten angesichts versiegender Treibstoffreserven eine Katastrophe. «Unter dem Strich wird das Schifa-Krankenhaus ein Massengrab werden, wenn ihm der Strom ausgeht», sagte Ghassan Abu-Sittah, Arzt in der Klinik in Gaza, dem US-Sender CNN am Montagabend (Ortszeit).

Bereits jetzt mangele es an grundlegendem medizinischem Material wie etwa Spezialverbänden für Brandwunden, es komme schon zu Stromausfällen und der Wasserdruck reiche nicht mehr für den Betrieb der Sterilisierungsmaschinen für das Operationsbesteck, sagte er.

Das Schlimmste aber sei der Platzmangel, so der Arzt. Das Krankenhaus mit einer eigentlichen Kapazität von bis zu 700 Betten versorge gerade 1700 Menschen, die mit Matratzen in den Fluren lägen. «Die Situation ist entsetzlich, und wir sind einfach ganz am Ende des Systems, das langsam zusammenbricht», so Abu-Sittah.

Terroristen im Auftrag der im Gazastreifen herrschenden Hamas hatten am 7. Oktober in Israel ein Massaker unter Zivilisten angerichtet. Mehr als 1400 Menschen kamen dabei und in den folgenden Tagen ums Leben. Mindestens 222 weitere wurden laut Israels Armee gewaltsam in den Gazastreifen verschleppt, darunter mehrere Deutsche. Seither bombardiert Israels Armee Ziele im Gazastreifen und bereitet eine Bodenoffensive in dem abgeriegelten Küstengebiet vor. Mehrere Einheiten trainieren laut Angaben der Armee derzeit dafür.

Armeesprecher: Hamas verwehrt Gaza-Kliniken gehorteten Treibstoff

Die islamistische Hamas verwehrt nach Darstellung des israelischen Militärs Krankenhäusern im Gazastreifen von ihr gehorteten Treibstoff. Die Hamas habe «mehr als» eine Million Liter Treibstoff gelagert, «gibt diesen aber nicht an bedürftige Krankenhäuser ab», erklärte der israelische Armeesprecher Jonathan Conricus in der Nacht auf der Plattform X (vormals Twitter). «Die Hamas ist für das Leid in Gaza verantwortlich, nicht Israel», sagte der Sprecher. Hilfsorganisationen der Vereinten Nationen beklagen, dass mit den ersten Hilfslieferungen in den Gazastreifen bislang kein Treibstoff in das Gebiet gelangte.

«Der Treibstoff, den wir reinbringen wollen, ist der Treibstoff, den (das Palästinenserhilfswerk) UNRWA braucht. Es wird für unsere Operationen sein. Und natürlich muss auch Treibstoff für die Krankenhäuser und so weiter vorhanden sein», sagte UN-Sprecher Stephane Dujarric am Montag in New York. Die Nachfrage, ob es Israel sei, das die Erlaubnis bisher verweigere, beantwortete er nicht.

In den vergangenen Tagen passierten einige Dutzend Lastwagen die Grenze von Ägypten in den Gazastreifen. Die Vereinten Nationen machten dabei aber deutlich, dass die Lieferungen unter anderem von Medikamenten nur vier Prozent des normalen Volumens am Grenzübergang Rafah ausmache. Die Zahl der Lieferungen müsse erhöht werden.

Die zuständige Cogat-Behörde in Israel warf der Hamas vor, die von ihr gelagerten rund eine Million Liter Treibstoff dafür zu nutzen, um «ihre Terror-Tunnel zu beleuchten, Raketen abzufeuern und für ihre eigenen Häuser» statt der Zivilbevölkerung bereitzustellen. Am Dienstagmorgen verbreitete Cogat zudem Aufnahmen auf X, die ein Dutzend Treibstofftanks der Hamas im südlichen Gazastreifen zeigen sollen. Sie sollen demnach «Hundertausende Liter Treibstoff» enthalten. Unabhängig waren die Angaben zunächst nicht zu überprüfen. Der Inhalt der Tanks sowie ein möglicher Füllstand waren auf den Aufnahmen nicht zu erkennen.

Ein Arbeiter beobachtet die von der Weltgesundheitsorganisation gesandten medizinischen Hilfsgüter im Nasser-Krankenhaus. Foto: Mohammed Talatene/dpa

Feuerpause oder Waffenstillstand? Debatte geht weiter

Die Vereinten Nationen fordern unterdessen einen humanitären Waffenstillstand, was aber umstritten ist. «Jeder Waffenstillstand würde der Hamas die Möglichkeit geben, sich auszuruhen, aufzurüsten und sich darauf vorzubereiten, weitere terroristische Angriffe gegen Israel zu verüben», gab der Sprecher des US-Außenministeriums Matthew Miller in Washington zu Bedenken. Auch der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell hatte zuvor auf die Frage nach dem Unterschied zwischen Forderungen nach einer humanitären Feuerpause (Englisch: humanitarian pause) und den Forderungen nach einem humanitären Waffenstillstand (humanitarian ceasefire) erklärt, dass für ihn ein Waffenstillstand weit mehr sei als eine Feuerpause.

Bei einem Waffenstillstand brauche es eine Vereinbarung zwischen den Parteien, erklärte Borrell in Luxemburg. Eine Feuerpause sei dagegen schneller umzusetzen. Gleichzeitig gebe es lediglich eine zeitlich begrenzte Einstellung von Angriffen. So etwas brauche man, um humanitäre Hilfe sicher in den Gazastreifen bringen zu können. Borrell geht davon aus, dass sich die Staats- und Regierungschefs der EU-Staaten bei ihrem nächsten Gipfeltreffen geschlossen hinter Aufrufe zu einer begrenzten Feuerpause für Hilfslieferungen stellen.

China rief die Konfliktparteien zu Friedensgesprächen auf. Es müsse verhindert werden, dass die Situation weiter eskaliere und es zu einer noch größeren humanitären Katastrophe komme, sagte Chinas Außenminister Wang Yi in einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Eli Cohen, so das Pekinger Außenministerium.

Israel setzt sich weiter für Geiseln ein

Israel ist unterdessen im Kampf gegen die Hamas-Angreifer im Gazastreifen bereit zur Bodenoffensive und treibt zugleich die Bemühungen um Freilassung der Geiseln voran. Der Auftrag laute: «die Hamas zu eliminieren, ihre Infrastruktur als Militär, als Organisation, als Regierung. Und: Die Entführten zu befreien», sagte Israels Energieminister Israel Katz der «Bild»-Zeitung. Derweil ließ die Hamas zwei weitere Frauen frei, wie Israels Regierung in der Nacht bestätigte.

Israel bleibt hart: Wir gehen rein

«Die Hamas möchte, dass wir uns mit den Entführten beschäftigen und unser Militär nicht reingeht, um ihre Infrastruktur zu eliminieren. Das wird nicht passieren», sagte Katz. Seine Regierung bedankte sich bei Ägypten und dem Internationalen Roten Kreuz für ihren Beitrag bei der Freilassung zwei weiterer Geiseln. Die 79 und 85 Jahre alten Frauen seien an Israels Armee übergeben worden, teilte das Büro des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu in der Nacht mit. Am vergangenen Freitag hatte die Hamas auf Vermittlung Katars bereits überraschend eine US-amerikanische Mutter und ihre Tochter freigelassen.

Eine der befreiten Geiseln kommt in einem Helikopter des israelischen Militärs auf dem Dach eines Krankenhauses in Tel Aviv an. Foto: Ilia Yefimovich/dpa

«Wir handeln mit jedem Akteur, um die Entführten freizubekommen», sagte Israels Energieminister Katz. «Wir tun alles, um sie nach Hause zu bekommen.» Israel versuche außerdem, «trotz des grausamen Feindes zwischen der Hamas und der Zivilbevölkerung zu unterscheiden». Im Süden von Gaza gebe es genug Raum, der nicht bombardiert werde: «Wer sich dort aufhält, bleibt unversehrt». Ein BBC-Reporter im Süden berichtete jedoch in der Nacht von Angriffen auch dort.

Israel bombardiert erneut Hunderte Ziele im Gazastreifen

Die israelische Luftwaffe bombardierte nach eigenen Angaben erneut Hunderte Ziele im Gazastreifen und tötete dabei mehrere Kommandeure der islamistischen Hamas. Wie das israelische Militär am Morgen auf Telegram bekanntgab, seien im Verlaufe des vergangenen Tages mehr als 400 «Terrorziele» getroffen worden. In einer «großangelegten Operation zur Zerschlagung der terroristischen Kapazitäten der Hamas» habe man Dutzende Hamas-Kämpfer getroffen, die sich darauf vorbereitet hätten, Raketen abzufeuern und Terroranschläge gegen Israel zu verüben.

Weiter Gefechte auch an Israels Nordgrenze

Derweil kommt es auch an der Grenze zwischen Israel und dem Libanon weiter zu gewaltsamen Zwischenfällen. Israel hat den Libanon eindringlich davor gewarnt, in den Krieg mit der Hamas einzusteigen. Israels Armee teilte mit, sie habe «Terrorzellen» angegriffen, die Raketen vom Libanon abfeuern wollten. Die pro-iranische Hisbollah bestätigte, sie habe gestern israelische Truppen angegriffen. Israel habe daraufhin Ziele im Süden des Libanon beschossen.

Macron zu Besuch in Israel

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron ist mehr als zwei Wochen nach Kriegsbeginn zu einem Besuch in Israel eingetroffen. «Wir sind mit Israel durch Trauer verbunden», schrieb Macron nach seiner Ankunft am Morgen auf X, ehemals Twitter. 30 französische Staatsbürger seien bei dem Massaker der islamistischen Hamas ermordet worden. Neun weitere werden demnach noch immer vermisst oder als Geiseln gehalten. In Tel Aviv habe er bei einem Treffen mit Angehörigen die Solidarität der Nation zum Ausdruck gebracht.

Medienberichten zufolge sind tagsüber weitere Treffen mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sowie Präsident Izchak Herzog geplant.

hfs/re/dpa/tt

Cookie Consent mit Real Cookie Banner